Fotographie

Experiment: Blind fotographieren

Beim Fotographieren bin ich diese Woche mal ganz neue Wege gegangen und habe mich auf einen experimentellen Streifzug durch Basel gewagt. Den Finger stets am Auslöser, jedoch ohne ein einziges Mal hinzuschauen.

Ich höre immer wieder, ich sei ja so kreativ und habe so viele tolle Ideen. Doch leider gibt es immer wieder diese Phasen, in welchen ich mich total blockiert fühle, mir entweder keine Ideen kommen wollen oder ich einfach nicht die Kraft aufbringen mag, diese umzusetzen. Das kann recht frustrierend sein und ich weiss, dass Druck und Zwang in solchen Momenten auch nicht wirklich weiterhelfen.

Meine bisherige Taktik – wenn man es denn so nennen kann – war eher passiv: Ich habe es einfach ausgesessen, viel Kaffee getrunken und auf bessere Zeiten gewartet.

Roberta Bergmann hat nun ein neues Buch heraus gebracht, welches sich genau diesem Thema annimmt. Logisch also, dass mich das interessiert und vier ihrer Geheimrezepte kann man in einer 4 Wochen Challenge sogleich selbst testen.

ROBERTAS ERSTER TIPP: DENK DAS GEGENTEIL

„Die Kopfstandmethode als Kreativtechnik ist ein beliebtes Mittel, um sich wortwörtlich um 180° in der eigenen Perspektive zu drehen und alles bisher Gedachte für sich in Frage zu stellen. Es geht darum, das Gegenteil vom dem zu denken, was einem logisch und offensichtlich erscheint. Nimm dir ein Thema, das du magst, kennst und versuche es, dir selbst widersprechend zu bearbeiten, z.B. male ein Bild dazu, das du so nie malen würdest, weil du den Stil nicht magst oder schreibe darüber eine Schmähkritik. Du kannst vielleicht auch den ursprünglichen Zweck ad absurdum führen, beispielsweise entsteht ein Buch ohne Seiten, ein Gefäß mit Loch, Musik ohne Melodie … Schau dir die Ergebnisse an. Was kannst du daraus für deine kreative Arbeit ableiten? Was hat dir das Experiment gebracht?“

Ich fand die Aufgabe spannend, wenn auch recht verwirrend und sie liess mich erstmal etwas ratlos zurückbleiben. Wie sollte ich das denn umsetzen? Was sollte ich tun? Etwas Basteln? Etwas Malen? Anders als sonst? Wie anders? Was anders? Und plötzlich ging mir ein Licht auf: Ich wollte Fotographieren! Ich wollte eine Fototour durch die Stadt machen und dabei frei drauf los knipsen ohne hinzuschauen. Blind fotographieren genau genommen. Ist das jetzt verrückt? Oder clever?

Nein, es ist schlicht genau das Gegenteil von dem ist, was ich sonst tue. Für gewöhnlich trainiere ich unaufhörtlich mein Auge, suche stets den perfekten Ausschnitt, befolge diverse Kompositionsregeln oder missachte dieselben auch mal ganz bewusst. Ich setze das Motiv immer in Szene, verschiebe mich um eine andere Perspektive zu erhalten oder arrangiere die Gegenstände bis mir die Komposition gefällt. Alle Bilder werden stets geplant und bewusst geknipst.

              

Doch was passiert, wenn ich genau das nicht mehr tue? Wenn ich nicht mehr nach einem guten Ausschnitt suche, keine Kompositionsregeln beachte? Wenn ich genau das Gegenteil tue? Durch die Stadt laufe und einfach mal knipse ohne mich um irgendetwas zu kümmern? Was passiert dann? Was für Fotos kommen dabei wohl zustande? Bestimmt alles Mist? Oder gibt es vielleicht einen glücklichen Zufallstreffer? Was bringt es mir? Was kann ich daraus lernen?

Die Idee liess mich nun nicht mehr los und bei der erstbesten Gelegenheit habe ich mein Vorhaben in die Tat umgesetzt. Die Kamera hab ich auf Atomatikmodus eingestellt und das Display abgeklebt. Dann machte ich einen Streifzug durch die Stadt und hab den Auslöser in den unterschiedlichsten Momenten gedrückt. Manchmal gehend, manchmal stehend, manchmal stark reingezoomt und manchmal auch nicht.

Erst im Bus auf dem Nachhauseweg hab ich total neugierig meine Ausbeute angeschaut und ja, ich war definitiv überrascht: Viele Bilder waren natürlich verwackelt, verschwommen und unscharf und auf ein paar Bildern war überhaupt nichts zu erkennen. Diese ähnelten eher abstrakter Kunst, was auch total spannend war. Niemals könnte ich sowas mit offenen Augen fotographieren.

Einige Bilder waren auch sehr interessant und ein paar wenige sind sogar erstaunlich gut geworden.

Am meisten überrascht war ich, dass ich einige Details eingefangen habe, die ich bewusst niemals fotographiert hätte, wie ein schnöder Hauseingang oder einen Strassenausschnitt.

Ausserdem sind die meisten Bilder schief geworden, was ich ja sonst auch immer zu vermeiden versuche, doch bei einigen gefällt mir das eigentlich sogar ganz gut. Vielleicht sollte ich öfter mal bewusst die Kamera schief halten…

Die Ausschnitte sind oft sehr ungewöhnlich herausgekommen, doch gerade das war sehr interessant, denn ich habe Details gesehen, die mir bis dahin nie aufgefallen sind.

Das Experiment hat mir gezeigt wie viele interessante Dinge eigentlich direkt vor meiner Nase liegen, die ich aber erst sehen konnte, als ich nicht mehr hinsah.

Ich habe gemerkt, wie entspannend es sein kann auch mal loszulassen und nicht immer alles zu kontrollieren. Ich habe gelernt, dass sogar dann etwas Interessantes und Schönes dabei herauskommen kann, wenn ich es nicht plane.

Und falls nicht, ist es auch nicht weiter schlimm, denn wenn man keine Erwartungen hat, können diese auch nicht enttäuscht werden.

Über manche Bilder konnte ich einfach nur schmunzeln, über andere hab ich mich gewundert und über wieder andere hab ich gestaunt.

             

Ob und wie mir diese Technik in Zukunft weiterhelfen wird, gerade beim Basteln, kann ich noch nicht sagen, aber ich lasse es gerne auf mich zukommen. Und bis dahin bin ich schon mal sehr gespannt, wie die anderen drei Aufgaben lauten, die noch kommen werden.

Und natürlich auch, wer sonst noch bei der Challenge mitmacht und wie diejenigen das Thema umgesetzt haben. Denn auch daraus kann ich bestimmt etwas lernen.

Könntest du dir vorstellen blind zu fotographieren? Oder hast du es vielleicht schon mal gemacht?

Was tust du, wenn du gerade eine kreatives Loch hast? Hast du ein Geheimrezept?

Und wie hättest du das Thema „Mach das Gegenteil“ umgesetzt?

Machts gut ihr Lieben, isch wünsch euch viel Kreativität und gute Ideen

Eure Nadia

Sonntagsglück

Ich freue mich von dir zu lesen

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