Geistereffekt
Fotographie

Geistereffekt durch Langzeitbelichtung

Um einen Geistereffekt auf Fotos zu erzielen, ist kein Photoshop notwendig. Du brauchst lediglich die passende Ausrüstung und die richtigen Kameraeinstellungen. Das Zauberwort heisst Langzeitbelichtung.

Bevor wir jedoch zum Kern des Beitrags kommen, lass mich etwas ausholen und ein paar Grundlagen der Fotographie beleuchten, genau genommen das Thema Belichtungszeit. Falls du dich mit dem Thema schon auskennst, kannst du gerne direkt weiter springen.


  1. Licht kontrollieren
  2. Die Belichtungszeit
  3. Verwacklungsunschärfe
  4. Bewegungsunschärfe
  5. Langzeitbelichtung
  6. Geistereffekt – Prinzip
  7. Fotoausrüstung
  8. Geistereffekt – Anleitung

1. Licht kontrollieren

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Beim Fotographieren ist es wichtig, das einfallende Licht zu kontrollieren, wofür einem primär ISO, Blende und die Belichtungszeit dienen. Mit all diesen 3 Parametern lässt sich beeinflussen, wieviel Licht auf den Sensor der Kamera fällt.

Diese 3 Parameter beeinflussen sich auch gegenseitig und müssen stets aufeinander abgestimmt werden. Wird ein Wert so eingestellt, dass zu viel Licht auf den Sensor fällt, muss ein anderer Wert entsprechend so eingestellt werden, dass weniger Licht auf den Sensor fällt um das wieder zu kompensieren, so dass am Ende eine ausgewogene Belichtung entsteht.

Ich hab dir ein kleines Merkblatt zusammengestellt.

Fotographie Merkblatt: Blende, Belichtungszeit und ISO
Merkblatt Fotographie: Blende, Belichtunszeit und ISO

2. Die Belichtungszeit

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Meine Kamera kann von 1/2000 Sekunden bis 30 Sekunden lang belichten. Also von unglaublich kurz bis ziemlich lang.

Wenn man nur ganz kurz belichtet, kommt nur wenig Licht auf dem Kamerasensor an. Das Bild wird entsprechend dunkler. Dies muss man mit den anderen Parametern kompensieren, also dafür sorgen, dass wieder mehr Licht hinein kommt um. Dazu kann man die Blende mehr öffnen und/oder die ISO erhöhen.

Belichtet man hingegen sehr lange, kommt entsprechend viel Licht auf den Sensor, das Bild wird daher heller, was bei Bedarf wiederum mit den anderen Parametern kompensiert werden will.

Die Belichtungszeit hat aber nicht nur Einfluss auf die Helligkeit sondern auch darauf, was während der Aufnahme mit Bewegung passiert.

3. Verwackelungsunschärfe

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Du hast dich bestimmt auch schon geärgert, weil Fotos verwackelt, verschwommen oder irgendwie total „verschmiert“ herausgekommen sind.

Verwacklungsunschärfe
Foto verwackelt 🙁

Gründe für unscharfe Fotos gibt es mehr als nur einen, doch wir besprechen hier lediglich die Unschärfe, die auf Grund von Bewegung zu Stande kommt. Dazu muss man zwischen Verwacklungsunschärfe und Bewegungsunschärfe unterscheiden.

Verwacklungsunschärfe hat man schnell mal, wenn die Lichtbedingungen nicht so gut sind und die Kamera länger belichtet. Wobei mit länger bereits 1/16 oder 1/4 Sekunden gemeint sind. Auch wenn wir eine ruhige Hand haben, ist sie nie ruhig genug. Kleinste Bewegungen, die man selbst nicht mal bemerkt, führen hier zu Verwacklungen und Unschärfe.

Verwacklungsunschärfe
Zu lange Belichtungszeiten ohne Stativ führen zu Verwacklungen

Um dem Verwackeln vorzubeugen kann man ein Stativ benutzen. Dann ist es nämlich egal, wie lange man belichtet. Die Kamera bleibt beim Auslösen ganz ruhig und so kommt es nicht zu Verwacklungen.

Wenn du im manuellen Modus fotographierst kannst du auch, wenn es die Lichtbedingungen zulassen, eine Belichtungszeit einstellen, von der du weisst, dass du sie verwacklungsfrei halten kannst.

Ein Stativ funktioniert jedenfalls wunderbar bei ruhigen Motiven, also zum Beispiel einem Stillleben.

Mit Stativ fotographieren
Gleiches Motiv, gleiche Einstellungen, aber mit Stativ

4. Bewegungsunschärfe

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Wenn sich das Motiv jedoch bewegen kann und auch bewegen tut, wird es auf dem Bild trotz Stativ verschmiert sein, wenn die Belichtungszeit lang genug ist. Und wie man auf dem unteren Bild erkennt, reichen dafür auch schon 1/4 Sekunden aus.

Geistereffekt durch Langzeitfotographie
Schildkröte langsam an einer Schnur gezogen bei 1/4 Sekunden

Bewegungsunschärfe kann man auch schon bei deutlich kürzeren Belichtungszeiten haben. Das hängt immer davon ab wie schnell sich das Motiv bewegt oder anders gesagt, wieviel Weg es in der eingestellten Zeit auf dem Kamerasensor zurücklegt.

Um Bewegungsunschärfe vorzubeugen ist eine möglichst kurze Verschlusszeit notwendig. Je kürzer die Belichtungszeit, desto knackiger das bewegte Motiv oder anders ausgedrückt kann man mit kurzer Belichtungszeit die Bewegung einfrieren. Das ist zum Beispiel in der Sportfotographie wichtig.

Genau das Gegenteil passiert, wenn man lange belichtet: Die Bewegung ist eben nicht knackig sondern sie verschmiert und wird ganz weich.

5. Langzeitbelichtung

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Und so landen wir beim Thema Langzeitbelichtung.

Bei längeren Belichtungszeiten kommt also einerseits mehr Licht auf den Kamerasensor und andererseits wird Bewegungen verschmiert und weich.

Während die Verwacklungsunschärfe eigentlich immer unerwünscht ist, kann man die Bewegungsunschärfe auch bewusst herbeiführen und damit ganz tolle Bilder zaubern.

Bei einem Wasserfall reichen in der Regel noch verhältnismässig kurze Belichtungszeiten, da sich das Wasser sehr schnell bewegt und auch schon in 0.3 Sekunden eine hübsche Distanz zurück legt. Durch das Nutzen eines Stativs verschmiert auch nur das, was sich bewegt und alles, was unbewegt ist, wird knackig scharf dargestellt, wie die Felsen, die vom Wasser umspielt werden.

Bei Nachtfotographie muss man hingegen länger belichten, da ja nicht viel Umgebungslicht vorhanden ist und wir wissen ja, dass durch längere Belichtungszeit mehr Licht auf den Sensor fällt. Durch eine längere Belichtung wird also einerseits das Bild hell genug um überhaupt was zu erkennen und andererseits wird Bewegung dadurch verschmiert.

Es gibt nicht einfach DIE eine richtige Belichtungszeit. Bei jedem Bild muss die ideale Zeit sowie eine passende Kombination von Blende, Belichtungszeit und ISO herausgetüftelt werden. Zeitdruck ist der Feind von guter Fotographie, bring also immer genug Zeit mit. Bei solchen Motiven wirst du nie einen Fotographen sagen hören, dass das nur ein Schnappschuss gewesen sei, das sind solche Bilder nie.

6. Geistereffekt: Prinzip

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So, nun kommen wir zum Geistereffekt.

Bei diesem Effekt spielt nun weniger die Bewegung eine Rolle, sondern die Tatsache, dass du nicht während der ganzen Belichtung im Bild stehst.

Stell dir vor, die Kamera belichtet für 8 Sekunden, du stehst aber nur die halbe Zeit davon im Bild. Also werden 4 Sekunden ohne dich und 4 Sekunden mit dir aufgenommen. Das Resultat davon ist, dass du auch nur halb zu sehen bist, also durchsichtig wirst und schon haben wir den Geistereffekt. Du kannst natürlich auch kürzer als 4 Sekunden im Bild bleiben, wodurch du dann noch transparenter wirst.

Während der Zeit, wo du im Bild stehst, solltest du möglichst ruhig dastehen um keine unnötige Bewegungsunschärfe zu erhalten. Bei so langen Belichtungszeiten und zuviel Bewegung deinerseits würde man von dir schlimmstenfalls nur noch einen undefinierbaren, komischen Fleck sehen und sich fragen, ob da nicht Dreck auf der Linse klebt.

Geistereffekt durch Langzeitbelichtung

ISO 400

f / 10.0

8.0 Sek

ND Filter

Minimale Bewegungen wie zum Beispiel Augenblinzeln fallen hier jedoch nicht ins Gewicht, weil man eh keine Details sehen wird.

Wenn du aus dem Bild gehst, solltest du das so zügig wir nur möglich machen, damit man nicht mehrere Überlagerungen von dir sieht und du aussiehst wie ein Alien mit mehreren Köpfen, Armen und Beinen. (Ausser natürlich, das ist der Effekt, den du anstrebst).

Schau also, dass du dich so platzierst, dass du unkompliziert und schnell aus dem Bild gehen kannst und dass dein Rückzugsweg frei liegt und nicht mit Sachen voll gestellt ist.

Als nächstes schauen wir uns an, was du an Ausrüstung benötigst und wie wir den Geistereffekt in der Praxis umsetzen.

7. Fotoausrüstung

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  1. Kamera (bei mir Canon G7X Mark II)
  2. Stativ (Meins ist das Cullmann Mundo 522TC)
  3. Smartphone (bei mir iPhone X)
  4. App „Canon Camera Connect“ (bzw. entsprechende App für deine Kamera)
  5. ND Filter/Graufilter (bei mir schon in der Kamera integriert)
1. Kamera

Man braucht keine grosse, teure Spiegelreflexkamera um Langzeitbelichtungen und den Geistereffekt zu fotographieren. Ich habe diese Ergebnisse nur mit einer kleinen Kompaktkamera erzielt. Die Kamera sollte lediglich über einen manuellen Modus verfügen, den du idealerweise auch bedienen kannst.

2. Stativ

Ein Stativ ist unerlässlich bei Langzeitbelichtungen. Die Kamera muss während der Belichtung absolut ruhig sein, denn du willst ja keine Verwacklungsunschärfe bekommen. Ausserdem ermöglicht dir das Stativ, auch alleine unterwegs zu sein und dich selber zu fotographieren.

4. Camera Connect App

Diese App lässt sich mit der Kamera verbinden, so kannst du auf dem Handy sehen, was die Kamera sieht, selbst wenn diese einige Meter entfernt von dir steht. Via Handydisplay kannst du dich gut im Bild platzieren. Auslösen kannst du ebenfalls via Handy, wobei hier zudem eine Auslöseverzögerung praktisch ist, da du etwas Zeit brauchst um das Handy nach dem Auslösen zu verstecken. Zumindest, wenn das Handy nicht zur Komposition gehören soll.

Ich nutze die Canon Camera Connect App. Ich nehme an, es gibt auch für andere Kameramodelle entsprechende Apps.

5. ND Filter

Ein besonderes Feature meiner Kamera ist der integrierte ND Filter. Ein ND Filter ist wie eine Sonnenbrille für die Kamera, er dunkelt das Bild ab.

Wenn wir länger belichten, kommt dadurch ja viel Licht auf den Sensor, weshalb wir daher die anderen Parameter zur Kompensation so einstellen, dass weniger Licht rein kommt und das Bild nicht zu hell wird. Wenn wir der Kamera also eine Sonnenbrille aufsetzen, können wir als Resultat länger belichten als ohne.

Bei Kameras mit Wechselobjektiven gibt es diese Filter separat zum Aufschrauben auf das Objektiv und es gibt sie auch in divesen Stärken. Grundsätzlich kann man Geister Aufnahmen auch ohne ND Filter machen. Es ist also kein Ausschlusskriterium.

8. Geistereffekt – Anleitung

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In diesem Abschnitt beschreibe ich dir nun, wie ich meine Aufnahmen gemacht habe. Wenn du das selber ausprobierst, plane bitte genug Zeit dafür ein. Ich kann dir nicht sagen, wie lange du für deine Aufnahmen brauchen wirst, denn das ist sehr individuell. Aber es wäre gut, wenn dein Terminkalender danach frei ist, so dass du keinen Zeitdruck hast und dich voll und ganz auf dein Fotoprojekt konzentrieren kannst.

Vorbereitungen und Kameraeinstellungen
  1. Stell die Kamera auf das Stativ und bestimme den Bildausschnitt
  2. Blende: Die Blende sollte eher geschlossen werden (kleine Blendenöffnung = weniger Licht kommt rein) Bei mir ist Blende f/11 die kleinste Blende
  3. ISO: Stelle die Lichtempfindlichkeit so klein wie möglich ein (Ich hätte hier eigentlich auch ISO 100 einstellen können, aber das hatte ich schlicht vergessen)
  4. ND Filter nutzen (optional)
  5. Belichtungszeit: Schaue, was für eine Belichtungszeit du einstellen kannst. Durch die vorangehenden Einstellungen war es mir möglich 8 Sekunden Belichtungszeit einzustellen
  6. Auslöseverzögerung: Diese ist hilfreich um das Handy nach dem Auslösen verstecken zu können.
  7. Testbild: So kannst du sehen, ob die eingestellten Parameter gut sind, also das Bild gut belichtet ist (nicht zu hell, nicht zu dunkel)
Aufnahme
  1. Verbinde die Kamera mit der Camera Connect App (gemäss Anleitung des Herstellers)
  2. Bring dich in Position und und kontrolliere via App, ob du gut stehst
  3. Drücke via App den Auslöseknopf und bring dein Handy aus dem Bild. (Wenn die Kamera die Auslöseverzögerung eingestellt hat, wird sie dir mit blinkendem roten Licht verraten, wann sie auslösen wird)
  4. Steh jetzt ganz still und bleib für einen kleinen Teil der eingestellten Belichtungszeit im Bild
  5. Geh dann möglichst schnell aus dem Bild während die Kamera noch die restliche Zeit belichtet
  6. Das aufgenommene Bild kannst du ebenfalls direkt in der App anschauen
  7. Triff falls nötig Anpassungen und mach weitere Bilder
Geistereffekt durch Langzeitbelichtung

ISO 400

f / 11.0

2.5 Sek.

ND Filter

Überprüfen und Anpassen

Es wäre wohl grosser Zufall, wenn gleich das erste Bild der Knaller wird. Bei mir hat es auch einige Anläufe gebraucht bis mir Position und Pose gefielen und vorallem bis ich die Zeit, die ich im Bild blieb, gut getroffen habe.

Manchmal war ich zu lange im Bild und man hat kaum etwas vom Geistereffekt gesehen. Manchmal war es so kurz, dass man mich fast nicht erkannt hat und manchmal war ich tatsächlich als undefinierbares Wesen mit zu vielen Gleidmassen abgebildet.

Wenn du in einer sehr hellen Umgebung bist, kann es sein, dass du nicht so lange belichten kannst, wie du das gerne würdest, weil einfach zu viel Licht da ist und du mit den möglichen Kameraeinstellungen an die Grenzen kommst. Dann kannst du beispielweise zu einer anderen Tageszeit fotographieren, wenn es etwas dunkler ist oder du kannst den Raum anderweitig abdunkeln.

Wenn du eine Kamera mit Wechselobjektiven hast, bist du hier flexibler, dann setzt du einfach einen stärkeren ND Filter auf das Objektiv, dann kannst du auch bei strahlendem Sonnenschein Langzeitbelichtungen aufnehmen.

Schlusswort

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Vielen Dank dass du diesen langen Beitrag ganz zu Ende gelesen hast. Ich hoffe, du fandest ihn interessant und inspirierend.

Fotographie ist ein Thema, mit welchem ich mich vorallem wegen dieses Blogs beschäftigt habe. Ich wollte schöne Fotos meiner DIY’s machen. Ich wollte vorallem lernen, wie ich Bilder mit scharfem Motiv im Vordergrund und einem weichen, diffusen Hintergrund machen kann. Also habe ich autodidaktisch die dafür nötigen Grundlagen gelernt.

Tiefenunschärfe mittels Blende
Tiefenunschärfe durch offene Blende

Die Belichtungszeit spielte für mich nie eine Rolle, da ich vorallem mit der Blende und weiteren Einstellungen gearbeitet habe. Mit Stativ war mir auch stets egal, wie lange ich belichte.

Erst mit der Reise auf die Lofoten (Norwegen) und den ersten Versuchen Nordlichter zu fotographieren wurde mir so richtig klar, was für Möglichkeiten man mit der Einstellung der Belichtungszeit hat. Unterdessen liebe ich es Wasserfälle länger zu belichten oder die Bahnen der Herbstmesse.

Den Geistereffekt durch Langzeitbelichtung habe ich letzten Herbst erstmals so richtig ausprobiert. Da war ich in meinem unterdessen leer stehenden Elternhaus für ein Abschieds-Fotoshooting unterwegs.

Die Bilder haben für mich also durchaus eine Aussage. Sie stehen symbolisch für das Verblassen und die Vergänglichkeit von dem, was einst war. Sie stellen das Entschwinden der Menschen aus dem Haus dar.

Wenn du mehr darüber lesen möchtest, auch darüber habe ich einen Beitrag geschrieben.

Viel Spass beim Fotographieren und Experimentieren.

Ich freue mich von dir zu lesen

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